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Aufbruch zur Unsterblichkeit?
 

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Anhand eines umstrittenen Themas soll zum Nachdenken über vielfältige Probleme von Gegenwart und Zukunft angeregt werden. Der nachfolgende Text wurde im Jahre 1991 niedergeschrieben. Sicher würde ich heute viele Dinge anders formulieren oder sogar weglassen, aber ich entschloß mich, diesen Text im wesentlichen so zu lassen, wie er ist, da er sich bestens bewährt hat, Menschen zum Nachdenken über den Sinn ihres Daseins zu provozieren.

In den USA wurde damit begonnen, Körper verstorbener Menschen einzufrieren, in der Hoffnung, diese Menschen in einer späteren Zukunft wieder zum Leben erwecken zu können. Auch einzelne Köpfe und Gehirne Verstorbener wurden bereits eingefroren, weil es später mittels gewisser Verfahren möglich sein könnte, den restlichen Körper, biologisch wesentlich verjüngt, wiederentstehen zu lassen (siehe technische Erläuterungen am Ende des Textes). Würden die Aufbewahrungen in großer Zahl durchgeführt werden, wäre die Aufbewahrung eines Gehirns billiger als der Fernsehapparat. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer späteren Wiederbelebung gering wäre, müßte man wenigstens den Versuch dazu unternehmen, denn es geht um Menschenleben. Das Interesse an diesem Thema wächst ständig. Eine zunehmende Zahl von Wissenschaftlern hält eine Realisierbarkeit für wahrscheinlich. Welche Folge hätte es, wenn jeder Mensch nach seinem Tod sein Gehirn aufbewahren lassen könnte?

Eigentlich ist eine Verwirklichung aufgrund der vielfältigen und schwerwiegenden Probleme der heutigen Zeit unmöglich, es sei denn, es würde uns gelingen, diese Probleme zu lösen. Insbesondere diejenigen Leute, deren Interesse an der heutigen Welt oftmals schon an der Wohnungstür endet und welche ihre zwischenmenschlichen Beziehungen nach dem Recht des Stärkeren gestalten, erkennen sehr schnell und fast von allein, daß man später zögern würde, sie wiederzubeleben, denn ihre Wiederbelebung könnte katastrophale Folgen für das Leben in der Zukunft haben. Man könnte diese Leute damit ins Grübeln bringen. Indem man also einerseits den insgeheimen Wunsch nach einer Verwirklichung bewußtmacht und eine Realisierbarkeit vorstellbar macht und andererseits die Unmöglichkeit einer Verwirklichung wegen unserer Gegenwartsprobleme aufzeigt, könnte man zusätzlich Antriebe schaffen, eben diese Probleme zu lösen.

Ist dieses Erzeugen eines Widerspruchs nicht rücksichtslos? Dies ist nicht im entferntesten so rücksichtslos wie Not, Elend, Hunger, Gewalt, Unterdrückung und Ungerechtigkeit, welche auf unserer Welt an der Tagesordnung sind und welche mit dieser Methode bekämpft bzw. in den Blickpunkt gestellt werden sollen. Mitunter wird eingewendet, daß man diese Probleme auf eine andere Art und Weise lösen muß. Dem ist zuzustimmen. Das schließt aber nicht aus, daß man die beschriebene Methode als zusätzliches Mittel anwendet, um zum Nachdenken anzuregen.

Auch ohne eine Verwirklichung der Aufbewahrungen und Wiederbelebungen würde man nach seinem Tod in einem gewissen Sinn innerhalb der anderen Menschen weiterleben. Man lebt durch seinen Taten weiter, welche die Voraussetzungen für das Leben der anderen bilden oder durch Dinge, welche man den anderen beigebracht oder erzählt hat. Aber kommt es nicht auf die Erhaltung eines jeden einzelnen in seiner einmaligen Individualität an? Es zählt doch jeder einzelne!

Was wäre der Sinn einer Verwirklichung? In erster Linie geht es um die Erhaltung von Menschenleben. Das Leben ist lebenswert, macht Spaß (zumindest könnte das der Fall sein) und ist nützlich für andere. Man kann sich viel vornehmen. Auch in einer zukünftigen Gesellschaft wird jeder Mensch gebraucht. Man bräuchte sich nur einmal vorzustellen, welche Auswirkungen es hätte, wenn bereits auf der heutigen Welt kein einziger Mensch vernachlässigt und die Fähigkeiten, die Phantasie und der Einfallsreichtum eines jeden Menschen zur Ausprägung gebracht würde.

Es besteht die Auffassung, daß sich ein Mensch, der sein Leben gelebt hat, für seine Nachkommen opfern muß. Der Tod ist ein passives Opfer. Bisher war man gezwungen, diese Art des Opfers zu bringen. Ein Mensch der sein Leben in der Zukunft fortsetzt, wäre durch seine Tätigkeit ebenfalls in der Lage, Opfer zu bringen, sogar in einer aktiven Art und Weise.

In der Gegenwart könnte eine Reihe von positiven Nebeneffekten auftreten. Lebenswille und eine optimistische Grundstimmung bis ins hohe Alter könnten sich herausbilden. Lebensstreß, und damit auch zwischenmenschliche Konflikte, könnten gemildert werden. Rücksichtsloses Profitstreben sowie Luxus - und Konsumsucht infolge unbewußter Todesverdrängung könnten zurückgedrängt werden. Die Tendenz zu übereilten, unproportionalen und überflüssigen Entwicklungen könnte eingedämmt werden, denn man würde jetzt vieles gelassener sehen können. Und außerdem braucht Entwicklung Zeit, welche dann zur Verfügung stünde; und im Endeffekt würde man trotzdem schneller sein.
Die Besinnung aller Menschen der heutigen Erde auf ein gemeinsames großes Ziel, nämlich den Aufbau der Zukunft durch die Gestaltung der Gegenwart, würde dazu beitragen das Miteinander der Menschen stärker auszuprägen und das Gegeneinander zurückzudrängen.

Die heutige Menschheit ist an einem bestimmten Punkt ihrer Entwicklung angelangt, bei welchem das Handeln - mehr oder weniger beabsichtigt - weitreichende, oftmals negative Folgen für die Zukunft haben kann. Andererseits leiden wir unter einer Zukunftsblindheit. Der Extremfall: "Nach mir die Sintflut". Man empfindet es oftmals unbewußt als angenehm und beruhigend, daß man sich für das, was nach einem kommt, nicht verantwortlich zu fühlen braucht und nimmt dafür auch gern seinen eigenen Tod in Kauf. Bei einer Verwirklichung der Aufbewahrungen entstünde eine persönliche Interessiertheit an der Zukunft. Ein verstärktes Umweltbewußtsein und ein verstärktes Interesse an globalen Problemen könnte die Folge sein.

Wie jeder einzelne Mensch von seiner Zukunft träumt und sein Leben plant, so muß dies auch die Menschheit insgesamt gegenüber ihrer Zukunft tun. Dies würde Handlungsantriebe für die Gegenwart schaffen. Dazu muß man natürlich begreifen, daß die beste Art, die Zukunft vorzubereiten, die Lösung der dringenden Gegenwartsprobleme ist.

In der heutigen Zeit könnten auch negative Auswirkungen auftreten. Viele Menschen würden an einer geistigen Flucht aus der Gegenwart in die Zukunft leiden, in Passivität verfallen und nur noch auf das zukünftige Leben warten. Sie würden qualvoll an der Unsicherheit leiden, ob ihnen der Sprung ins spätere Leben gelingen wird. In den USA wurden angeblich bereits Sekten gegründet, deren unsterbliche Mitglieder sich mitunter schon sehr weit von der Gegenwart entfernt haben sollen. Ist man aber negativen Erscheinungen seiner eigenen Psyche hilflos ausgeliefert? Man sollte das heutige Leben genauso leben wie bisher, in der Annahme seiner Begrenztheit. Diese Begrenztheit hat seine Berechtigung, wie später noch nachgewiesen wird. Vielleicht sollte man sich die spätere Wiederbelebung als Nebensache oder als eine Art Überraschung vorstellen. Falls es sich ereignet sollte man sich freuen, über die Möglichkeit des Nichtereignens sollte man sich nicht ärgern. Man sollte sich also nicht selbst vernachlässigen und sollte den Schwierigkeiten seiner Zeit nicht ausweichen oder auf andere abwälzen. Das Lösen von Problemen entwickelt einen Menschen und wirkt seiner Stagnation entgegen. Die spätere Wiederbelebung von Menschen, welche sich auf der Flucht vor ihren Gegenwartsproblemen befanden, in der Annahme, daß sich in einer zukünftigen Welt sämtliche Probleme jeweils immer automatisch lösen würden, würde sehr verhängnisvoll sein und könnte eben diese Wiederbelebungen unmöglich machen. Die Gefahr dieser Flucht in die Zukunft könnte letztlich nur dadurch beseitigt werden, daß die heutige Welt restlos für alle Menschen lebenswert gestaltet wird.

Science-fiction Erzählungen leben meist auch davon, daß die Zukunft entfremdet dargestellt wird. Dies ist aber oftmals als Warnung zu verstehen. Wie die Zukunft wirklich aussehen wird, hängt vor allem von uns selbst ab. Für die Zukunft gibt es detaillierte Pläne zur erdgetreuen Besiedlung des Weltalls im beliebigen Umfang. Denkbar wäre die Herstellung einer Vielzahl riesiger Zylinder mit dem Durchmesser einiger tausender Kilometer, welche zur Erzeugung der Schwerkraft um die eigene Achse rotierten. An den Innenwänden befänden sich Landschaften, Berge, Meere, Flüsse und Städte. Später wäre es möglich, eine Welt zu gestalten, welche sich in nichts von der heutigen Welt unterschiede und welche sich an den schönsten Gegenden der heutigen Erde orientieren würde. Es handelte sich um die gleiche Natur in der uns bekannten Vielfalt und den selben Gesetzmäßigkeiten (Boden, Tiere, Pflanzen, Tag und Nacht, Jahreszeiten, Wettererscheinungen). Selbst am Himmel könnte man kaum unterscheiden, ob man sich nun auf der Erde oder innerhalb eines Zylinders befindet. Das Material für diese Zylinder könnte anderen Planeten, den Planetoiden, der Sonne (bzw. deren Emissionen) oder anderen Sternen entnommen werden. Stoffumwandlungen werden möglich sein. Den Aufbau der Zylinder würden Roboter übernehmen. Falls es später nicht möglich sein sollte, solche Zylinder herzustellen, verzichten wir eben auf unsere Wiederbelebung oder verschieben diese auf einen späteren Zeitpunkt. Mit der Entwicklung der entsprechenden Weltraumtechnik sollten wir uns Zeit lassen und uns zuerst um die schwerwiegenden Probleme kümmern, welche auf der Erde existieren. Es spielt keine Rolle, ob unsere Wiederbelebung nach tausenden oder erst nach zehntausenden von Jahren erfolgt.

Man wird unsere Kultur achten. Es wird später möglich sein, das heutige Leben relativ nahtlos in der gewohnten Einfachheit fortzusetzen. Dies gilt auch in Hinblick auf die Wohnumgebung, welche in allen Einzelheiten mit all ihren Stärken und Schwächen wieder hergerichtet werden könnte, genauso wie diese damals aussah. Die Städte und das Haus, einschließlich eines Gartens, in welchem man später wohnen möchte, sowie auch das Zusammenleben der Menschen könnten bereits heute schon in einem hohen Maße geplant werden. Dies würde unsere Phantasie anregen und vieles ließe sich auch schon heute verwirklichen. Es wird Gebiete oder Zylinder geben, in welchem sich das Leben dem neusten Stand der Technik bedient, oder solche, in welchem die Lebensverhältnisse dem Niveau früherer Zeitabschnitte entsprechen. Die Kulturen der einzelnen Zeitabschnitte werden sich gegenseitig bereichern. Es sei die Vermutung geäußert, daß die Lebensweise der Menschen zunehmend auch natürliche Elemente enthalten wird. Man muß nicht alles verwirklichen, was technisch möglich ist, sondern nur das, was auch sinnvoll erscheint. Niemand wird uns zu etwas anderem zwingen. Die zukünftige Welt in ihrer unendlichen Vielfalt wird voller Entdeckungen sein. Wer dies möchte, kann später auch seinen früheren Beruf, eventuell in veränderter Form, ausüben oder seinen Traumberuf ergreifen, und in seiner Freizeit könnte man Tätigkeiten nachgehen, welche schon immer auf der persönlichen Wunschliste standen. Die traditionelle Handarbeit würde man als eine Art Kunst ansehen und weiterhin fördern. Man muß allerdings auch bereit sein, einen Teil seiner Freizeit für andere wichtige Aufgaben einzusetzen. Die Fließbandproduktion einunddeselben Gegenstandes würde später in vielen Bereichen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Sämtliche Gebrauchsgegenstände des täglichen Bedarfs könnten von einem Menschen unter Verwendung entsprechender technischer Hilfsmittel selbst entworfen, angefertigt und auch anderen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Neuentwicklungen dieser Art würden vor allem dem Menschen vorbehalten sein. Sicherlich ließe sich auch das automatisieren, aber der Mensch wird es sich, soweit es geht, nicht nehmen lassen. Auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik, also als Hilfsmittel unseres Schöpfertums, könnte allerdings eine künstliche Computerintelligenz eine bedeutende Rolle spielen.

Milliarden Jahre würde man leben, und es würde trotzdem kein Ende abzusehen sein. Im Falle des Todes würde sofort eine Wiederbelebung eingeleitet werden. Von unserer Gehirn - und Körperstruktur könnten täglich von außen "Sicherheitskopien" angefertigt werden. Selbst kosmische Katastrophen wären kaum in der Lage, ein Menschenleben auszulöschen. Sicher gelingt es irgendwann, den Alterungsprozeß ganz zu stoppen, so daß ein einzelner Mensch mit einem biologisch jungem Körper praktisch unsterblich wäre, auch ohne daß ständig Wiederbelebungen durchgeführt werden müssen. Mitunter wird behauptet, daß der Mensch das Wissen um seinen endgültigen Tod unbedingt braucht, um leben und handeln zu können. Der Gedanke an den Tod wirkt aber oft lähmend. Es sind eher unsere Bedürfnisse, welche uns von Gefühlen begleitet bewußt werden und zum Handeln bewegen. Man hat ein Ziel vor den Augen und tut etwas, um dieses Ziel zu erreichen, ohne auch nur im entferntesten an den Tod zu denken. Aus der Hoffnung an ein Leben nach dem Tod schöpfen außerdem viele religiöse Menschen ihre Lebenskraft. Oder betrachten wir dieses intensive und erlebnisreiche Spiel der Kinder. Diese Kinder denken dabei nicht an den Tod - im Gegenteil, sie haben noch alles vor sich.

Jedes Lebewesen ist bestrebt, sein eigenes Leben zu erhalten. Diese ist eine Gesetzmäßigkeit. Ein Beispiel hierfür ist der Selbsterhaltungstrieb bei Tieren. Je höher ein Lebewesen entwickelt ist, desto höher ist auch seine Fähigkeit, sein Leben gegenüber seiner Umwelt zu verteidigen. Wäre es dann nicht folgerichtig, wenn es eines Tages hochentwickelten Lebewesen gelingen würde, den biologischen Tod überhaupt zu besiegen?

Die Sterblichkeit der Menschen ist nicht Voraussetzung für die Höherentwicklung der zukünftigen Menschheit (allenfalls für die Höherentwicklung einer Ellenbogengesellschaft). Die Entwicklungsmöglichkeiten der Menschheit als System in Einheit mit der Umwelt sind wahrscheinlich unendlich hoch, unabhängig davon, ob der Einzelmensch sterblich oder unsterblich ist. Beispielsweise fanden heutzutage in zunehmendem Maße gesellschaftliche Umwälzungen statt, auch ohne daß Menschen dafür sterben müssen. Hinzu kommt, daß der Mensch das entwicklungsfähigste ist, was die Natur geschaffen hat. Ein Mensch ist relativ schnell in der Lage, viele Dinge hinzuzulernen und wieder zu vergessen, sich neue Ziele zu setzen, bereits Bekanntes auf stets neue Weise zu erleben, Lebensabschnitte abzuschließen und neue zu beginnen. Man kann sich ein unsterbliches Leben als eine Kette von unendlich vielen kleineren und größeren Lebensabschnitten vorstellen, für welche man sich jeweils ganz konkrete und überschaubare Ziele setzen würde, die Erziehung eines oder mehrerer Kinder beispielsweise. Jeder dieser Lebensabschnitte ist einmalig und unwiederholbar und sollte bewußt und intensiv ausgelebt werden. Die Fähigkeit, etwas vergessen zu können, ist weniger ein Mangel, sondern eher unser Glück. Auch ein unsterblicher Mensch wäre also in einem gewissen Sinne sterblich, und dies ist auch irgendwie beruhigend.

Auch andere Menschen werden sterben, ebenfalls nicht im biologischen Sinne. Es wird Menschen geben, welche uns sehr viel bedeuteten, und diese werden wir nie wiedersehen. Das Leben ist so. Man sollte die Zeit nutzen, solange man mit ihnen zusammen ist. Neben diesem Werden und Vergehen gibt es auch noch viele Eigenschaften in uns, welche erhalten bleiben, und wenn wir dies unbedingt möchten bis in die Ewigkeit. Persönlichkeitseigenschaften, welche nicht im Widerspruch zu den allgemeinen Menschheitsinteressen stehen, haben dabei die größten Erhaltungschancen.

Leben, um Leben zu geben. Beantwortet dies die Frage nach dem obersten Sinn unseres Daseins? Dieses Prinzip schließt die Bewahrung von Leben ein und ist in einem allgemeinen Sinne zu verstehen. In irgendeiner Form wird man teilhaben können am großen Ganzen. Vielleicht sind es gerade die mit diesem Prinzip verbundenen zwischenmenschlichen Werte, welche einem unsterblichen Leben überhaupt erst einen Sinn geben und sämtliche psychischen Folgeschäden der Unsterblichkeit von vornherein ausschließen würden.

Die Anzahl der Menschen würde sich schnell vergrößern. Hält man sich vor Augen, daß ein Mensch alles andere als lediglich nur einen Nahrungskonsumenten und Platzbeansprucher darstellt und begreift man den Wert und die Schöpferkraft eines jeden einzelnen Menschen, würde man verstehen, daß gerade in dieser übergroßen Zahl von Menschen unsere Stärke bestünde. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die Menschen es gelernt haben, daß man Schwierigkeiten am besten gemeinsam und nicht gegeneinander löst. Außerdem könnte man ohne ein Gefühl der Geborgenheit in eben dieser Masse von Menschen eine Unsterblichkeit sowieso nicht verkraften, und vielleicht sollte man sich die spätere Menschheit als einen riesigen, sich entwickelnden Organismus vorstellen. In regelmäßigen Abständen würden allerdings Probleme hinsichtlich Material, Energie und Lebensraum auftreten. Die Menschen der Zukunft müssen deshalb höchsten moralischen Ansprüchen gerecht werden (Rücksichtnahme, Gerechtigkeitssinn, Toleranz, Nächstenliebe, verantwortungsvoller Einsatz von Wissenschaft und Technik), es könnte sonst den Untergang bedeuten. Für die heutigen Menschen treffen diese Voraussetzungen wohl oftmals nicht zu, unsere Wiederbelebung wäre wohl höchst problematisch und damit eigentlich unmöglich, es sei denn wir ändern uns. In den erwähnten Extremsituationen wird die Bevölkerungszahl konstant bleiben müssen. Vor allem aber wird man intensiv nach neuen Möglichkeiten suchen, diese Beschränkungen zu beseitigen, neue Gebiete des Weltraums zu erschließen und die Probleme zu lösen. Zur Überwindung von größeren Entfernungen oder zur Überbrückung kritischer Zeiträume könnten in Ausnahmefällen Teile der Menschheit einen künstlichen Tiefschlaf antreten, während ein anderer Teil an der Lösung der Probleme arbeitet. Durch das Suchen nach neuen Möglichkeiten wird sich die Menschheit ständig höherentwickeln. Die Fähigkeiten der Menschheit werden sich ständig steigern. Und gerade das ist entscheidend für das Überleben der Menschheit als Ganzes. Eine Menschheit, welche sich nicht höherentwickelt würde mit dem Erlöschen der Sterne oder durch eine Naturkatastrophe untergehen. Vielleicht lernen wir später einmal den Raum, die Zeit, die Energie und die gegenständlichen Dinge in einer Art und Weise zu beherrschen, welche sich unserer heutigen Vorstellungskraft entzieht, so daß hinsichtlich dieser Faktoren kaum noch ein Mangel bestünde. Unsere Phantasie wäre eventuell noch in der Lage, sich beispielsweise ein äußerlich ganz normal erscheinendes kleineres Haus vorzustellen, in dessen Inneren sich unendlich viele Zimmer oder beliebig viele Landschaften mit entsprechenden Städten oder vielleicht sogar ganze Sternenwelten befinden könnten. Es gibt wissenschaftlich begründete Hypothesen, wonach innerhalb eines kleinen Raumgebietes unendlich viel Materie verborgen sein könnte. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei nochmals die Vermutung geäußert, daß in der Lebensweise der Menschen zunehmend auch natürliche Elemente eine Rolle spielen werden. Das schließt die verantwortungsvolle Anwendung technischer Hilfsmittel nicht aus.

Ist die Welt als Ganzes endlich oder unendlich (bzw. unerschöpflich, was nicht unbedingt im räumlichen Sinne gemeint ist)? Darüber gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Theorien. Nur im zweiten Fall hätte eine Unsterblichkeit einen Berechtigung. Solange wir die Antwort auf diese Frage nicht wissen, sollten wir wenigstens den Versuch dazu unternehmen, Menschenleben zu bewahren. Es ist aber nicht auszuschließen, daß wir eines Tages unsere Unsterblichkeit aufgeben und uns für unsere Nachkommen opfern müssen. Die Bereitschaft dazu muß vorhanden sein. In scheinbar ausweglosen Situationen wäre es zwar denkbar, zugunsten unserer Nachkommen einen künstlichen Tiefschlaf anzutreten, auch in der Hoffnung, daß diese einen Ausweg aus den Beschränkungen finden werden. Es kann aber sein, daß es diesen Ausweg nicht gibt.

Vielleicht aber ist es uns in einer sehr fernen Zukunft auch möglich, einen Urknall auszulösen, um mit diesem Mittel eine Vielzahl ganzer Weltenalle neu entstehen zu lassen, in welchen die Menschheit neue Lebensräume fände oder sich auch völlig neuartige Lebensformen und Zivilisationen entwickeln könnten.

Leben, um Leben zu geben. Dieses Prinzip beinhaltet nicht nur das Erzeugen neuen Lebens, sondern vor allem auch die Bewahrung dieses Lebens und seine lebenswürdige Gestaltung. Dabei geht es um das Leben der eigenen Kinder, der Kinder der anderen, es geht überhaupt um alle Menschen, sowie auch die Tiere und Pflanzen und nicht zuletzt um die anderen Zivilisationen. Dieses Prinzip entspricht den beobachteten Entwicklungstendenzen zu wachsender Komplexität und Organisiertheit im Universum. Man kann seine Richtigkeit auch gefühlsmäßig erfassen und begründen.

Angenommen, die Zeit hatte einen Anfang. Doch was war vorher? Gibt es jemanden, der unser Weltall, in welchem wir leben, geschaffen hat? Vielleicht sollten wir uns dafür die Gemeinschaft von Zivilisationen vorstellen, welche sich seit unendlichen Zeiten entwickelt haben. Darf man diese Gemeinschaft mit Gott identifizieren? Vielleicht stellen sie ständig gewissermaßen aus der Ferne die Kopien unserer Körper- und Gehirnstruktur her und bewahren sie auf, für den Zeitpunkt, an welchem die Menschheit hinsichtlich einer Aufnahme in den Kreis dieser Zivilisationen für würdig befunden wird. Die sicherlich im Weltall in großer Zahl vorhandenen Zivilisationen hätten längst mit uns Kontakt aufgenommen. Die Menschen sollen sich aber zunächst durch die Überwindung von Schwierigkeiten entwickeln und dabei lernen, daß man diese Probleme am besten gemeinsam löst und man keinen einzigen Menschen vernachlässigen darf. Diese Einsicht wäre eine Voraussetzung, um von diesen Zivilisationen aufgenommen werden zu können. Aber diese Dinge sind alles bloß eine Vermutung, darauf kann man sich nicht verlassen.

In der heutigen Medizin wurden Menschen wiederbelebt, welche bereits Tod waren. Auch in der Religion wird die Auferstehung eines Menschen beschrieben. Es war also möglich, ihnen die Seele zurückzugeben, falls es die Seele überhaupt gibt. (Vielleicht sind Seele und Gehirnstruktur identisch.) Falls Gott existiert, dann wäre er ein Gott aller Religionen. Er wäre sicherlich toleranter, als dies in den vielen Anschauungen, welche es über ihn selbst gibt, dargestellt wird. Er würde die Besonderheiten der unterschiedlichen Anschauungen respektieren.

Mit den bestehenden Religionen gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Es geht hier nicht darum, die Menschen zur Abkehr von ihren Religionen zu bewegen. Vielleicht aber sollen sich die Menschen ihre Religionen selber verwirklichen.

Bemerkungen zur technischen Realisierung der Wiederbelebungen:

1.Schritt: Aufbewahrung der Gehirne in der Gegenwart:
Die Konservierung könnte durch Einfrieren erfolgen. Etwa zehntausend Gehirne würden in einen Raum von der Größe eines Zimmers passen. Die Isolierung des Raumes gegenüber der Außenwelt erfolgt durch Vakuumschichten und Verspiegelung der Wände. Zum Wärmeentzug könnte flüssiger Stickstoff und Sonnenenergie ausgenutzt werden. Später wäre eine Stationierung im Weltraum denkbar (Ausnutzung der Weltraumkälte).

2.Schritt: Aufklärung der Gehirnstruktur des aufbewahrten Gehirns in der Zukunft:
Das Gehirn besteht aus einer Vielzahl von miteinander durch Fortsätze verbundenen Nervenzellen. Die Struktur dieser Verbindungen bestimmt in einem hohen Maße unseren Gedächtnisinhalt. Bereits heute kann man beispielsweise mit Hilfe der Kernspinresonanz-Computertomographie bis hin zum Zellniveau ins Innere des Körpers hineinblicken und Strukturen aufklären. Man wird später diese Methoden ständig vervollkommnen.

3.Schritt: Wiederbelebung des Menschen in der Zukunft:
Ein Verfahren der Wiederbelebung, welche mit einer vollständigen Erneuerung des Körpers verbunden wäre, wäre die Herstellung eines Klones, d.h. eines genetisch identischen Duplikats des ursprünglichen Menschen. (Klonierungen von Säugetieren wurden heutzutage schon durchgeführt.) Das Wachstum und die Entwicklung der Nervenzellen würden später dabei so gesteuert werden, daß die Gehirnstruktur des wiederbelebten Menschen der Struktur des aufbewahrten Gehirns (welche beim 2.Schritt ermittelt wurde) entspricht. Der gesamte Vorgang der Wiederbelebung würde im Zustand der Bewußtlosigkeit erfolgen, aus welchem man schließlich erwachen würde.

Hierzu einige nähere Erläuterungen: Das Wachstum der Nervenzellen, insbesondere deren Fortsätze, erfolgt unter ganz bestimmten örtlichen Bedingungen, beispielsweise elektrische und chemische Eigenschaften der Umgebung der Zelle, welche man durchschauen und nachgestalten kann. Um diesen Prozeß von außen zu steuern, ist beispielsweise der Einsatz eines auf molekularem Niveau arbeitenden Nanocomputers bzw. eines Biocomputers denkbar, welcher den gesamten Körper wie ein engmaschiges, dreidimensionales Netz ausfüllt, welcher dann an den gewünschten Stellen bestimmte Reaktionen auslöst, sich schließlich selbst zerstört und ausgeschieden wird.

Von der Struktur des aufbewahrten Gehirns kann mit Computerhilfe auf die Struktur des damaligen lebenden Gehirns im Originalzustand geschlossen werden und eventuelle Mikroveränderungen oder mechanische Beschädigungen rückgängig gemacht werden. Die Strukturen des Gehirn des wiederbelebten Menschen und die Struktur des Originalgehirns brauchen nur bis zu einem bestimmten Grad übereinzustimmen. Es finden in unserem Gehirn täglich sowieso vielfältige zufällige Prozesse statt (stoffliche Veränderungen, Ortsveränderungen von Zellen und Zellbestandteilen, Absterben von Zellen), welche keinerlei Einfluß auf die Persönlichkeit des Menschen haben. Das Gehirn ist von selbst in der Lage diese Toleranzen auszugleichen.

Weshalb ist es höchstwahrscheinlich hinreichend, lediglich das Gehirn und nicht den gesamten Körper aufzubewahren? Obwohl die Verbindung zu den entsprechenden Gliedmaßen nicht mehr besteht, können querschnittsgelähmte Menschen sich noch sehr gut und bis ins Detail daran erinnern, wie sie früher komplizierte Tätigkeiten ausübten. Dies zeigt den Umfang der Dinge an, welche in unserem Gehirn verborgen sind.

Es muß Einfluß auf die Entwicklung des übrigens Nervensystems genommen werden. Aufgrund unserer späteren Kenntnisse von der Funktionsweise des Gehirns und unter Anwendung der Computersimulation wird dies in einer Weise geschehen, daß der jeweilige Mensch schon kurz nach der Wiederbelebung sämtliche speziellen Fertigkeiten wieder beherrschen würde. Die entsprechenden Grundlagen für diese speziellen Fertigkeiten sind im aufbewahrten Gehirn verborgen.

Der wiederbelebte Mensch würde gewissermaßen eine Kopie des ursprünglichen Menschen darstellen. Das wäre aber nichts Ungewöhnliches. Unser Körper stellt durch den Stoffwechsel sowieso ständig Kopien von sich selbst her. Eigentlich ist ein Mensch rein stofflich-körperlich gesehen ein anderer als er noch vor ein paar Tagen war, während die Strukturen erhalten geblieben sind.

Dies war die Beschreibung einer konkreten Realisierungsmöglichkeit der Wiederbelebungen. Sicher wird man es später anders machen. Vielleicht wird es gelingen, das aufbewahrte Gehirn selbst wiederzubeleben, notfalls durch Regeneration jeder einzelnen Zelle und den übrigen Körper gewissermaßen nachwachsen lassen.

Egal welche Methode der Wiederbelebung auch angewendet wird, sie darf nicht mit Genmanipulierungen, Züchtung von Übermenschen usw. in eine Schublade gesteckt werden. Es soll nichts am menschlichen Wesen verändert werden, sondern der ursprüngliche Mensch soll mit möglichst all seinen Eigenschaften (Wissen, Können, Bedürfnissen, Charakter, sämtliche psychische Eigenschaften) erhalten bleiben.

Umfangreiche wissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet der Wiederbelebungen sind aber heutzutage nicht erforderlich. Eine technische Realisierbarkeit würde sich von ganz allein ergeben, gewissermaßen als Abfallprodukt der sonstigen wissenschaftlichen Forschungen. Man käme später nie auf die Idee Wiederbelebungen durchzuführen, wenn immer noch der größte Teil der Menschen in Armut lebte und Hunger leidete, das Recht des Stärkeren vorherrschen würde und die Gewalt als geeignetes Mittel zur Lösung von Streitigkeiten angesehen wird. Wichtiger wäre es also auf die allgemeine Entwicklung der Menschheit einzuwirken.

Die Art und Weise, wie die Wiederbelebung später technisch realisiert wird, kann der jeweilige Mensch nicht wahrnehmen. Wie wird aber eine Wiederbelebung aus der Sicht des Bewußtseins erlebt? Vorstellbar wäre ein Vergleich dieses Vorgangs mit dem Übergang von einem Tag zum darauffolgenden Tag:


Den morgigen Tag kann man nicht wahrnehmen oder sich daran erinnern. Man kann Vermutungen über diesen Tag anstellen und ihn sich vorstellen. Pläne können aufgestellt werden, und man kann sich auf den nächsten Tag freuen. Das spätere Leben kann man heute ebenfalls nicht wahrnehmen oder sich daran erinnern. Vermutungen könnte man anstellen und sich die Zukunft vorstellen. Auch könnte man sich etwas für die Zukunft vornehmen und sich auf das spätere Leben freuen.

Beim Schlaf wird zum größten Teil nichts wahrgenommen. Genauso ergeht es einem während der Aufbewahrung.

Man wacht aus seinem Schlaf auf und kann sich an den gestrigen Tag erinnern. An sämtliche Dinge, welche man erlebt hat und welche man sich vorgenommen hat. Später wird man sich ebenfalls nach dem Aufwachen an das vergangene Leben erinnern können, eventuell sogar bis zur letzten Minute klar und deutlich, und an alles, was man sich damals für die Zukunft vorgenommen hat.

Eines Tages in der Gegenwart stellt man gerade noch fest, daß einem das Bewußtsein kurz entschwindet, und plötzlich befindet man sich in der Zukunft.


 
 
 
 

Interessante Links:
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Gefroren in die Ewigkeit.
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(1991, Autor: Carsten Zander , Carsten.Zander@t-online.de)

 

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