Die digitale Erinnerung

Der allgemeine Lebensraum

 

Ehem. Kulturhaus: abgerissen Gibt's nicht mehr Haus (links) nicht mehr da
Haus verschwunden Die Straße ist jetzt eine Wiese Abrißkandidat
Einer der letzten Schuppen: weg Beseitigt Wer weiß, wie lange noch...

 


Ein dezentrales Projekt

Das nachfolgend beschriebene Projekt ist von dezentraler Natur. Unabhängig voneinander und auf vielseitige Weise sind sowohl Institutionen als auch Einzelpersonen daran beteiligt. Keinesfalls handelt es sich also um eine Idee des Autors.

Die folgenden Zeilen sollen vor allem zum Mitmachen und zum Weitersagen anregen.
Gern können auch eigene Gedanken ergänzt bzw. eigene Textversionen formuliert und diese dann nach eigenen Ermessen weiterveröffentlicht werden.


Problem

Einerseits vollzieht sich die Umgestaltung unseres Lebensraumes in einem immer schneller werdenden Tempo.

Ganze Kulturen verschwinden auf Nimmerwiedersehen.

Andererseits besteht ein allgemeines Interesse, Erinnerungen zu bewahren.


Lösung

Das Erstellen von (Digital-)Fotos ist heutzutage so einfach und billig wie nie zuvor.


Fotografieren Sie die alten Gebäude, solange diese noch in der ursprünglichen Form existieren!

Jeder kann sich beteiligen!

Zu jeder Ortschaft sollten zahlreiche fotografische Ansichten in Form von Überblicks- und Detailaufnahmen angefertigt werden. Insbesondere gilt das für solche Teile einer Ortschaft, die sich in nächster Zeit wesentlich verändern könnten.
Vor allem ältere Gebäude sollten eingeschlossen werden, damit später einmal, also nach einem Abriß oder einer Sanierung, der ursprüngliche Zustand nachvollziehbar sein wird.

Die Fotografien sollten der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich gemacht werden.


Beispiele

Die hier aufgelisteten Webseiten sind unabhängig von der Erstellung des Artikels entstanden. Die Inhalte der Webseiten entstammen der Idee und den Eigenleistungen der jeweiligen Webseiten-Betreiber. Weitere Links bitte melden!  ( Carsten.Zander@t-online.de )

www.leerstehende-baudenkmale.de
www.oberlausitzer-eisenbahnen.de  (Eisenbahn-Stationen beachten!)
www.ansichtskartenversand.com  (ca. 500.000 Scans von Ansichtskarten)
www.doebeln-in-alten-ansichten.de
www.zeno.org/Ansichtskarten
Stadtforum Chemnitz (s.a. Galerie)

www.baudenkmaeler-chemnitz.de.vu
www.annoknips.com
www.sperrzone.net
www.nickoftime.de
www.marodes.de
www.fotocommunity.de  (Architektur/ Marodes)

 


Umfang

Der Umfang einer Fotoserie ist natürlich eine Ermessensfrage und auch eine Frage der Möglichkeiten.
Es gelten folgende Grundsätze:

1.) Wenig ist besser als gar nichts. Und etwas mehr kann nicht schaden und kostet kaum etwas mehr.

2.) Wenn nicht aus der Nähe, dann sollten wenigstens aus der Entfernung Fotos anfertigt werden.

3.) Wenn es aus Zeit- oder anderen Gründen nicht möglich ist, jedes einzelne Gebäude zu erfassen, dann sollte wenigstens eine repräsentative Auswahl aus Gebäuden, Straßen und Details vorgenommen werden.

4.) Es sollten jeweils immer Gesamtaufnahmen eines Gebäudes sowie zusätzlich auch Nahaufnahmen von einmaligen und sich wiederholenden Details (Fenster, Türen) gemacht werden.

5.) Auch die Umgebung eines Hauses, z.B. der Fußweg oder die Straße, sollte in die Fotoserie einbezogen werden.

6.) Vor einem Abriß wäre es wünschenswert, auch Innenaufnahmen anzufertigen, u.a. vom Treppenhaus, von typischen Räumen und von Details. Innenaufnahmen sind selten, obwohl sich das Alltagsleben der Menschen zu großen Teil in den Häusern selbst abspielte. Auch wenn sich die Innenräume vor einem Abriß meist in einem schlechten Zustand befinden, so wird der damalige Originalzustand später rekonstruierbar sein.

7.) Einbezogen werden sollten auch Straßen, Plätze, Gehwege, alte Fabrikanlagen und Arbeitsstätten, Geschäfte usw.

8.) Je öffentlicher ein Gebäude, je mehr Menschen im Laufe der Jahre daran vorbeigingen, desto umfänglicher sollte die Fotoserie sein.
Um allerdings ein mögliches Mißverständnis auszuschließen: In erster Linie soll es hier um typische Alltagsbauten gehen. Auch die sogenannten "Sehenswürdigkeiten" sollen natürlich nicht ausgeschlossen werden, aber von diesen gibt es ja sowieso bereits zahlreiche Abbildungen. Der Begriff "Sehenswürdigkeit" hat übrigens einen diskriminierenden Unterton, denn er suggeriert, daß alles andere in einer Ortschaft nicht sehenswürdig sei.

9.) Ein Test hat ergeben, daß es innerhalb eines Tages möglich ist, eine halbe Kleinstadt grob fotografisch im Umfang von etwa 2000 Aufnahmen zu erfassen. Während eines Stadtrundganges bleibt man dazu alle paar Minuten stehen und schießt in jede Richtung eine Aufnahme, so daß sich jeweils eine Art Rundumblick ergibt. Diese Vorgehensweise ist natürlich nicht ganz im obigen Sinne, da es ja auch Details zu erfassen gilt, aber es zeigt zumindest, daß bereits mit beschränkten Mitteln sehr viel realisierbar ist.

10.) Auch Gebäude, welche sich in einem sehr schlechten Zustand befinden, sollten abgelichtet werden, da der Originalzustand später gedanklich oder mittels Computer rekonstruiert werden kann. Zudem hat das Vergängliche mitunter auch seinen Reiz.

 

Was ist erlaubt?


Gewiß ist nicht alles erlaubt, und manches bedarf einer Genehmigung.
Privathäuser sollten, wenn überhaupt, nur in eingeschränkter Weise, z.B. im Rahmen eines flüchtigen Blicks in die Straße, fotografiert werden.
Im Zweifelsfall sollten die Fotos zunächst einmal im Archiv verbleiben und erst nach einigen Jahrzehnten veröffentlicht werden.
Andererseits leben wir in einer Zeit, in der es möglich ist, mittels im Internet zugänglicher Luftbilder in Nachbars Garten zu schauen. Per Netz können bereits virtuelle Stadtrundgänge beispielsweise durch San Francisco unternommen werden.

 
Realisierung

1.) Eigeninitiative von Einzelpersonen
Jeder kann Fotos anfertigen und diese ins Netz, z.B. auf die eigene Homepage, stellen. Zahlreiche Webseiten widmen sich bereits der Thematik.
Die Veröffentlichung der Bilder könnte ggf. schrittweise erfolgen, d.h. die meisten Fotos könnten zunächst einmal aufbewahrt werden, und nur ein Teil der Fotos wird im verkleinertem Maßstab veröffentlicht. Der Rest würde später folgen.
Nutzen Sie ggf. auch die Angebote, Ihre Bilder kostenlos im Netz zu veröffentlichen, z.B.:
picasaweb.google.com
www.annoknips.com
Oder einfach mal bei einer Suchmaschine nach "Fotos", "Fotogalerie" usw. suchen
Aber aufpassen, es gibt Webseiten, die tendenziell handwerklich hochwertige Fotos anstreben - nichts dagegen, denn das ist ja immer schön anzusehen -, aber für viele Gelegenheitsfotographen wären mglw. Fotogalerien besser geeignet, in welchen auch Fotos mit lediglich dokumentarischem Charakter toleriert werden oder gar erwünscht sind.

2.) Eigeninitiative von Vereinen (z.B. Heimatvereine)

3.) "Stadtfotograf"
Die Verantwortungsträger einer jeden Ortschaft sollten eine regelmäßige systematische fotografische Erfassung ihrer Häuser und Straßen vornehmen lassen. Möglicherweise wird dies bereits in einem gewissen Umfang realisiert, allerdings wäre es wünschenswert, wenn die Archive zugänglicher gestaltet würden, wenn z.B. die Bestände wenigstens überblicksmäßig über das Netz einsehbar wären.

4.) Große Firmen, z.B. Google oder Microsoft, welche sich die vollständige fotografische Erfassung der Welt ohnehin auf die Fahnen geschrieben haben, sollten angeregt werden, zunächst einmal die älteren Ortsteile bzw. ältere Gebäude, die sich noch im Originalzustand befinden, zu erfassen.
Zudem könnten diese Firmen eine Mitmachbewegung initiieren und Speicherplatz inklusive eines Verzeichnissystems bereitstellen, so daß jeder seine Fotos dort einstellen kann.

5.) Initiierung von Förderprogrammen (staatliche Kulturförderung, UNESCO? u.a.)

6.) Förderung der Digitalisierung von vorhandenen analogen Bildbeständen
Dies ist gewiß bereits in Arbeit. Allerdings hat man hier als Einzelperson keinen Überblick, in welchem Umfang dies geschieht. Hier liegen sicherlich noch große Reserven.
Ansichtskartenverlage bzw. -verkäufer und -sammler sollten motiviert werden, ihre Karten in hoher Auflösung einzuscannen (allerdings bei Veröffentlichung Copyright beachten!).
Und in alten privaten Fotoalben könnten wahre Schätze verborgen sein, die noch darauf warten, gehoben zu werden.

7.) Erstellung von Richtlinien bzw. gesetzliche Regelungen
Vor jedem Abriß und jeder wesentlichen Veränderung sollte die fotografische Erfassung zur Pflicht gemacht werden.
Möglicherweise gibt es für bestimmte Fälle bereits solcherlei Bestimmungen. Aber was nützt es, wenn die Archive nicht bzw. schwer öffentlich zugänglich sind. Es besteht die Gefahr, daß diese Dokumente nicht dauerhaft gespeichert werden.
 
8.) Das Weiterverbreiten der Idee
an Einzelpersonen, Vereine, Institutionen, Stadtverantwortliche, Firmen wie Microsoft und Google, staatliche Stellen (z.B. Kulturstaatsminister), Hobbyfotografen, Fotocommunities im Netz u.a.
Jeder einzelne kann helfen, die Idee weiterzutragen.

 
Schlußbemerkungen

Ein sehr großer Aufwand wird betrieben, ein Gebäude zu erbauen, es bewohnbar zu halten, es zu sanieren und es ggf. nach langer Zeit wieder abzureißen.
Andererseits kostet es nur sehr wenig Aufwand, dieses Gebäude für uns selbst und für die Nachwelt in Erinnerung zu halten. Und diese Chance sollten wir nutzen.

Es existieren Regionen, in denen der Abriß von Gebäuden sogar finanziell gefördert wird. Hier sollte es doch möglich sein, wenigstens geringfügige Mittel für ein virtuelles Weiterleben dieser Häuser bereitzustellen.

Jeder hat sicherlich folgendes schon einmal erlebt: Wenn man nach langer Zeit eine bestimmte Straße oder ein bestimmtes Gebäude wiedersieht, werden die damit verbundenen Ereignisse aus dem eigenen Leben ins Gedächtnis zurückgerufen. In diesen alten Häusern stecken also auch zahlreiche persönliche Erinnerungen. Man tut den Menschen also unrecht, wenn man diese Gebäude - wie heutzutage in den Lokalmedien üblich - als "Schandflecke" abwertet.

Bei den obigen Ausführungen handelt es sich keinesfalls um die Gedankengänge eines Ewiggestrigen. Sowohl die Vergangenheit als auch Gegenwart und Zukunft sind gleichermaßen interessant. Gerade dieses Nebeneinander von alt und neu könnte eine erstrebenswerte Vielfalt ergeben. Allerdings werden wohl große Teile vergangener Kulturen nur noch in virtuellen Realitäten weiterbestehen können - zumindest vorerst.

Es gibt gute und schlechte Erinnerungen. Auch die schlechten Erinnerungen sollten in einem gewissen Umfang erhalten bleiben. Die Frage ist, wie man dazu steht und ob man etwas daraus gelernt hat.

Die Digitalisierung von Erinnerungen ist natürlich auch auf andere Inhalte und digitale Medien (z.B. Filme, Texte etc.) erweiterbar. Dies ist bereits im großen Umfang im Gange und könnte Thema eines eventuellen zweiten Teils werden.
Eine große Software-Firma arbeitet an einem Projekt, bei welchem ein Mensch, sofern er dies möchte, sein ganzes Leben mit Hilfe einer ständig laufenden kleinen Videokamera aufzeichnen könnte. Ob das natürlich erstrebenswert wäre (für die Person selbst und für die Mitmenschen), sei zunächst einmal dahingestellt und böte sicher Stoff für eine interessante Diskussion.

Wer Inhalte im Netz veröffentlicht, könnte an sichtbarer oder unsichtbare Stelle das Stichwort "Digitale Erinnerung" anbringen, damit die Webseite mittels Suchmaschine gefunden und dem Projekt zugeordnet werden kann.
 
 


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2007, Autor: Carsten Zander,    Carsten.Zander@t-online.de